19.10.07

Spiekermann sprach

Er war da, ich war da, alle waren da. Das hat die Typografische Gesellschaft Austria noch nie erlebt. Schon eine halbe Stunde vor Vortragsbeginn stand eine Traube von 50 Leuten vor dem kleinen Auditorium im Museumsquartier. 15 Minuten später war der letzte Platz besetzt. Der Chef plädiert um Geduld und um 19:20 Uhr beginnt der Vortrag von Erik Spiekermann endlich – vor mindestens so viel Stehenden wie Sitzenden.

Trotz Krankheit plauderte Spiekermann eine Stunde und zwanzig Minuten lang über sich, seine Arbeit und seine Mama. Es war, im positiven Sinn, wie ein witziger Diavortrag von Onkel Erik. Chaotisch, improvisiert und durchsetzt von Bonmots, die manchmal nur lustig, manchmal unglaublich treffend waren. Fast schon Aphorismen. Der Mann wirkt mit seinen 60 keinen Tag älter als 45 Jahre, spricht wie ein Maschinengewehr und nimmt kein Blatt vor den Mund. Was ihn stört, ist, wortwörtlich, Scheiße. Gewisse Macken kann man ihm als Arroganz auslegen, etwa das ständige Bemühen, sich selbst als Mittelmaß darzustellen und die eigene Arbeit als simpel und banal. Auch die übermäßige Nutzung des Unwortes «Rödeln» (was heißt das überhaupt?) war eher grenznervig. Ansonsten: Spiekermann, von dir lässt sich lernen!

Ich habe hier aus dem Gedächtnis ein paar Zitate zusammengestellt, die ich für verschriftlichungswürdig halte:

Design ist Haltung, Wissen, Zusammenarbeit und Leute.

Wir reden nicht von Kunden, sondern von Auftraggebern. Ein Kunde weiß, was er will, er geht zum Fleischer und kriegt ein Kilo Hackfleisch. Wir müssen für unsere Auftraggeber neue Dinge entwickeln. Deswegen sind sie keine Kunden.

Powerpoint ist ja der Weltstandard. Aber Scheiße riecht auch in jedem Land gleich.

Akkurat ist sowas wie eine handgezeichnete Helvetica. Meine Mutter würde sagen, das ist eine Helvetica mit einem komischen «g«. Aber das ist meine Mutter.

Keiner lizenziert Schriften. Schriften schwirren irgendwo in der Atmosphäre herum und manifestieren sich irgendwann auf der Festplatte.

Corporate-Design-Ideen sind immer einfach, sonst versteht sie keiner und dann funktionieren sie nicht.

In meiner Kellerdruckerei hatte ich nur drei «a»s. Du musste ich mir halt etwas überlegen. So habe ich skizzieren gelernt.

Das Redesign von «The Economist» habe ich mit Bescheidenheit gewonnen. Ich habe gesagt: «The Economist», wow, da hab ich Schiss. Die anderen sind reinmarschiert und haben erzählt, sie schütteln das aus dem Ärmel.

Mir hat's gefallen, sehr sogar! Danke, Erik Spiekermann, und gute Besserung. Wer sich eine Idee holen will, wie der Vortrag sonst so war, bitte.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, war ein wirklich sehr lässiger (Vortrags)Abend mit 'Onkel Erik'. Und scheinbar war wirklich jeder da. ;)

Markus Widmer hat gesagt…

Jedenfalls jeder, der was auf sich hält. :-)