23.6.08

Werbekritik

Dieser Tage landeten unerwartet das Telefonbuch und die Gelben Seiten vor meiner Haustür und mit ihnen auch viele Beispiele für ausgesprochen gut gemeinte Werbung. Leider landen solche Maßnahmen oft zu schnell zumindest im mentalen Mülleimer, deshalb wollen wir hier wenigstens eine liebevoll gemachte Einschaltung besprechen.

Das werblich tätige Unternehmen hat es sich nicht leicht gemacht und etwa einen professionellen Grafiker engagiert. Nein, man hat dem ganzen einen ausgesprochen persönlichen Touch gegeben, das Flair echter Handarbeit versprühend.

Nehmen wir zum Beispiel das Bildmotiv, das Photoshop zum Trotze sorgfältig mit der Nagelschere freigestellt wurde. Dabei fielen zurecht die wohl unschönen Ohren des Models und Teile der Brille des Herrn mit Krawatte unter den Tisch. Achten Sie auch auf die feine Art, wie sich das Hemd des Herrn auf fast anzügliche Weise am Bein der Dame hochräkelt.

Individuell sind auch die Sprechblasen, einmal in Eurostile, einmal in Bank Gothic gesetzt, mit jeweils anders abgerundeten Ecken, fein umrahmt mit einer kaum sichtbaren roten Linie. Sehen Sie, wie die eine Spitze dem unsympathischen Glatzkopf ins Hirn schneidet? Preiswürdig!

Auch an die Kraft der Symbolik hat man gedacht. Die Frau, in ihrer Rolle als Beschützerin und Mutter, gebiert das embrional zerknautschte Prozentzeichen. Die Botschaft: Hier werden Sie für wenig Geld gut betreut. Oder so ähnlich.

P.S. Die Rückseite spar ich mir. Jetzt mal ohne Schmäh: Das Ding klebt als Beihefter auf dem Titel des Telefonbuchs. Dafür legt man schon etwas ab. Ob nicht eventuell ein Teil des Budgets für eine einfach nur ordentliche Gestaltung gut investiert gewesen wäre?

17.6.08

Typomanie

In diesem Video kommen Typomanie, kalligrafisches Talent und eine gute Portion Exhibitionismus zusammen. Sehr hübsch!

Und noch ein Beispiel, was man aus Schrift alles machen kann: Typographic Illustration.

via ilovetypography

12.6.08

Promo-Velo

Es gibt sie doch noch, die neuen und originellen Werbeformen. Die Firma Kemper Fahrradtechnik in Deutschland zum Beispiel macht großartige – und wirklich große – Promo-Velos. Wer des Schweizerischen nicht mächtig ist: Velos sind Fahrräder. Das erste dieser Art in Österreich steht frisch aus der Schweißerei bei enzovelo im 9. Wiener Gemeindebezirk und zieht schon jetzt alle Blicke auf sich. Kein Wunder! Wenn man mit dem Ding vor der Ampel steht, kann man den Fuß auf den Autodächern neben sich abstellen. Macht Freude, dass ein Logo aus unserem Büro drauf ist! Der Mann auf dem Rad ist übrigens Enzo persönlich.

10.6.08

Steve – Das Buch

Nachdem Apples Gründer und CEO Steve Jobs gestern wieder einen großen Auftritt gehabt hat, nutze ich die Gelegenheit für eine Buchvorstellung: «Inside Steve's Brain» von Leander Kahney. Es handelt sich dabei weder um eine Biografie, noch um ein Interview in Buchlänge. Kahney, seines Zeichens Journalist bei Wired und Autor des Blogs Cult of Mac, versucht eher, die Essenz eines Masterminds zu destillieren, eben in Steve's Gehirn einzudringen und daraus Prinzipien zu formulieren, die über den Einzelfall Jobs oder das Phänomen Apple hinausgehen. Gerade das macht das Buch interessant – auch für Leute, die keinen Computer mit Apfel besitzen. Kahney ist dabei zu gleichen Teilen Apple-Fanboy und gründlicher Journalist; Jobs-Bashing wird man hier nicht finden, auch wenn die negativen Seiten seiner Persönlichkeit durchaus vorkommen.

Der Autor widmet sich besonders einem essentiellen Moment in der Firmengeschichte Apples, der Rückkehr des Gründers Steve Jobs zum Unternehmen als iCEO (i für interimistisch), Jahre nachdem er vom eigenen Vorstand hinausgeekelt worden war. Apple musste sich von einem in die Jahre gekommenen, aufgeblasenen Hippie ohne Vision innerhalb kürzester Zeit zu einem schlanken, modernen Unternehmen mit klaren Zielen wandeln. Jobs hatte alles für diesen Job: die Vision, die Klarheit, die Härte. In dieser Zeit entstand der Ausdruck «to be steved» im Slang des Silicon Valley, weil meinen: entlassen, gestoppt, abgedreht werden. Apple machte zu dieser Zeit von allem ein bisschen, eine breite Masse an Rechnern, Laserdrucker, Monitore, einen PDA und viel, viel mehr – machte aber damit kaum Profit. Steve Jobs wollte zurück zu den Grundwerten von Apple: durchdachtes, benutzerfreundliches Produktdesign mit perfekt integrierter Hardware und Software. Und er konzentrierte sich, ein Schock für viele, auf vier Maschinen; je einen Standrechner und einen Laptop für Heimanwender und Profis. Alle vier wurden Hits und moderne Designklassiker: iBook und Powerbook, iMac und G3. Durch radikales Fokussieren (und den radikalen Sprung zu Mac OS X) hat sich Apple aus der Krise gerettet.

Den zweiten großen Teil von Kahneys Buch nimmt die Suche nach dem Geheimnis von Apples Design- und Innovationsprozess ein. Er zeigt auf, dass bei Apple nur die besten Leute arbeiten, immer unter großem Leistungsdruck, aber auch hoch motiviert und überzeugt davon, am größten Ding schlechthin zu arbeiten. Die Teams sind klein und nicht hierarchisch organisiert, jede gute Idee zählt. Typisch für Apple sind die endlosen Reihen von Prototypen, eine an Besessenheit grenzende Vorliebe für kleine Details und die manische Unzufriedenheit des obersten Steve. Erst wenn das Ding perfekt ist, geht es in Produktion.

Als Fallstudie kommt der iPod zum Zug, das Produkt des frühen 21. Jahrhunderts, mit dem Apple sich endgültig saniert hat. Hier konnte Jobs sämtliche seiner Obsessionen ausleben, vom Fokus auf das Userinterface bis zur totalen Kontrolle über Software, Hardware und Content (iTunes Musicstore). Kahneys erstaunlicher Schluss aus der Fallstudie: Apple hat eigentlich immer dasselbe gemacht und gewollt, seit dem ersten Macintosh im Jahre 1984. Doch erst nach dem Jahr 2000, mit der durchdringenden Digitalisierung unseres täglichen Lebens, gab es den dringenden Bedarf für das integrierte Designmodell der Marke Apple. Erst heute brauchen wir ein digitales Zentrum, das dafür sorgt, dass Digitalkamera, Telefon, Walkman, Handycam und Fernseher zusammenspielen und die Daten frei hin- und zurück fließen. Die Welt hat sich zum «Digitalen Lifestyle» hin gewandelt – und Apple scheint das Unternehmen zu sein, dessen Produktphilosophie am besten dazu passt.

Krieg ich jetzt ein iPhone?

2.6.08

Good Bye Logo

Eine Entwarnung vorweg: Wir sperren nicht zu, noch wechseln wir den Unternehmensgegenstand. Der Titel des Artikels ist jener eines Buchs von Neil Boorman, das ich hier bespreche. Das ist gleichzeitig der erste Teil einer Reihe von Buchbesprechungen, die fürs Rundschreiben geplant sind.

«Good Bye Logo» ist für mich doppelt interessant; einerseits geht es um Marken und darum, wie sie unsere Welt bestimmen, andererseits ist das Buch aus einem Blog namens «Bonfire of the Brands» geboren. Wer weiß, vielleicht wird's ja bei mir doch auch noch was.

Neil Boorman ist Journalist, Eventmanager und war, vor seinem Projekt, bekennender Marken-Junkie. Er hat, im Buch haarklein aufgelistet, tausende britische Pfund für Schuhe, Jacken, Kappen, Elektronik und Küchengeräte ausgegeben, weil ... es sich gut angefühlt hat. Er hat die Markenbotschaften der großen Designer dermaßen verinnerlicht, dass er sich und andere gemäß ihrer Brandnutzung definierte. Da konnte es schon mal passieren, dass eine wunderschöne Frau im Bus sämtliche Ausstrahlung verlor, weil sie Puma-Schuhe trug.

Startpunkt des Blogs war eine Selbsterkenntnis: So kann es nicht mehr weitergehen. Die Markenware muss weg, ein markenfreies Leben her. Mit der Radikalität eines Alkoholikers auf Entzug beschloss Boorman, seine Markensammlung in der Londoner Innenstadt anzuzünden, vollkommen zu vernichten. Danach wollte er sicherstellen, dass er komplett ohne Logos lebte. T-Shirts ohne Etikett, selbstgemachte Zahnpasta, Lebensmittel vom Markt. Selbst seinen Apple-Laptop ließ Boorman deart umbauen, dass sämtliche Äpfel von ihm verschwanden.

Interessant an der Form des Buches ist, dass ihm die Blog-Herkunft anzumerken ist. Schon vor dem Tag des Scheiterhaufens kommen die Reaktionen darauf, von Medien, aber auch durch Kommentare im Blog. Wir erleben den Autoren also nicht nur in der Selbstreflexion, sondern immer auch wieder im Rechtfertigen seiner Idee.

Aus dieser Struktur heraus entstehen leider auch immer wieder Längen und Redundanzen – das Buch hätte bestimmt noch gekürzt werden können. Boormans Interpretationen von Markenbotschaften, Markenwirkung und deren Auswirkung auf seine Persönlichkeit sind sehr individuell und sicher nicht allgemein gültig. Die Bemühungen um ein markenfreies Leben sind witzig zu lesen, werden aber für die wenigsten nachzuvollziehen sein. Dennoch habe ich einiges mitgenommen. Einmal die Bestätigung, dass Markenbotschaften mächtige Instrumente sind, die auch gewisse Gefahren in sich tragen. Wenn man Boorman gegen den Strich liest, kann man aber auch lernen, wozu gute Marken in unserer Zeit da sind: Sie bieten Orientierung. Es ist nun einmal fast unmöglich, die beste Kompakt-Stereoanlage für mich zu finden. Zu wenig kenne ich mich mit der Technik aus, zu lang sind die Feature-Listen der einzelnen Produkte, zu groß ist die Auswahl. Ganz abgesehen davon, dass Produkte austauschbar geworden sind, seit sowieso alle in China produziert werden. So wird die Marke zu einem der wichtigsten Auswahlkriterien (wenn ich mich nicht ausschließlich nach dem Preis richten will). Kenne ich sie, spricht sie mich an, was verspricht sie? Das kann natürlich dazu führen, dass ich alleine für die Marke einen höheren Preis bezahle, was Boorman kritisiert. Ich sehe das etwas anders: Orientierung, Klarheit und Vertrauen sind Werte, die man mitkauft. Und dagegen ist nichts einzuwenden, solange wir uns dessen bewusst sind.

Designtechisch gesehen haut mich das etwas zu offensichtliche Cover nicht um, fein allerdings ist diese kleine Idee: Das Logo des Verlags ist nur aufgeklebt, damit das Buch markenfrei gemacht werden kann.