23.12.08

Jahreswechsel

Das Administrative vorneweg: Heute ist mein letzter Tag im Büro, dann sind wir bis zum 7. Januar hochoffiziell auf Weihnachtsurlaub. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, allen KundInnen und ParterInnen von kreisrot schöne Feiertage und einen guten Start ins Jahr 2009. Wow, übernächstes Jahr klingt dann schon schwer nach Science Fiction ...

Ich nutzt die Gelegenheit für einen ganz persönlichen Jahresrückblick. Der Start ins Jahr 2008 war heftig: Umzug ins neue Büro und gleichzeitig ein Jahresbericht von 100 Seiten fertigzustellen. Ich war insofern sehr zufrieden, als wir uns selbst bewiesen haben, dass gerade unter Druck sehr viel weitergeht und die kreativen Säfte nur so fließen. Ich greife noch zwei weitere Projekte des Jahres heraus, weil sie ganz besonders befriedigend waren: enzo velo und Mixed Pasta (deren Website noch nicht wirklich soweit ist). Besonders befriedigens aus mehreren Gründen. Erstens saßen beide Kunden in meinem Unternehmensgründungsprogramm-Workshop und waren offenbar sehr überzeugt von dem, was ich den GründerInnen mitzugeben versuche. Zweitens waren beides Kunden, die uns als Partner und Berater akzeptiert und geschätzt haben (was vielleicht mit dem ersten Punkt zu tun hat). Drittens sind wir mit den Resultaten sehr glücklich (was sicher mit dem zweiten Punkt zu tun hat). Und viertens sind beides reale Geschäfte, womit sich unsere Ideen ganz greifbar in den Straßen Wiens manifestieren. Eine feine Sache!

Es gab aber auch weniger erfreuliche Dinge. Das durch die EURO verlängerte Sommerloch war heftig. Wir sind zudem zu mehreren Pitches eingeladen worden, haben uns gut geschlagen aber keinen einzigen gewonnen. Klar müssen wir uns da selbst an der Nase nehmen, mit besseren Ideen und Argumenten hätten wir vielleicht den ersten Platz geschafft. Klar ist aber auch, dass wir aus Sicht der potenziellen Kunden teilweise einfach zu klein waren. So angenehm es ist, im Mini-Team zu arbeiten und keine fetten Strukturen aufrecht erhalten zu müssen, so sehr stößt man manchmal einfach an Grenzen. Kleines Büro heißt halt oft auch kleine Jobs.

Und ganz am Ende dieses Jahres klopft nun auch die Weltwirtschaftskrise (ich darf sie wohl mittlerweile so nennen) an unsere Tür: Ein von uns auf der grafischen Seite mitgestaltetes Finanzprodukt ist dieser Tage eingestellt worden. Auch wenn wir daran keinen Anteil hatten – es tut weh. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Krise gerade im nächsten Jahr den Bereich der Dienstleister stark treffen wird, zu dem wir selbst und viele unserer Kunden gehören. Umgekehrt glaube ich aber auch, dass die Design-Branche weniger leiden wird als die Werbung. CI/CD lebt weder vom schnellen Geld noch vom schnellen Effekt, sondern von der langfristigen strategischen Planung. Es fragt sich nur, ob die Strategen in den Unternehmen angesichts der dauernden Feuerwehraktionen in den kommenden Monaten überhaupt Gehör finden werden.

Nun, wir leben in aufregenden Zeiten. Man darf gespannt sein, was das Jahr 2009 bringt.

4.12.08

(Un)Wort des Jahres

Es darf mal wieder gewählt werden. Nicht ganz anonym und dennoch im Internet. Dieses Mal geht es um Sprache, aber die politische Wahl hat ziemliche Spuren hinterlassen: Einige Wortschöpfungen sind wohl direkt den Spin-Doctors dieses überhasteten, etwas seltsamen Wahlkampfs entsprungen. Mir fällt besonders auf, dass die Grenze vom Wort zum Unwort des Jahres sehr, sehr fließend ist. Und manchmal hätte ich gerne zwei Stimmen gehabt. Aber egal, hier die Nominierten mit meinem Senf dazu.

Zum Wort des Jahres sind nominiert:

Ameisenrunde
Eine mäßig originelle Wortschöpfung. Obwohl das Thema Fernsehwahlkampf heuer doch erstmals interessant war, insofern als sich die Konkurrenten des ORF etwas haben einfallen lassen – und die Politiker sich darauf teils nur widerwillig oder gar nicht eingelassen haben.

Casinokapitalismus
Für mich nicht neu, sondern seit Jahr und Tag mit dem Schweizer Kapitalismuskritiker Jean Ziegler verbunden, der momentan natürlich wieder stark gefragt ist, wie kürzlich im Club 2, wo die Mitdiskutanten seinen leidenschaftlichen, informierten und polemischen Tiraden wie im Schockzustand gefolgt sind. Großes Kino.

Ego-Googeln
Touché. Ich liebe Ego-Googeln und verkünde immer wieder mal gerne, dass ich im Internet berühmt bin. Immerhin irgendwo, gell? Sollte das Wort gewinnen, dürfte eine gewisse Firma mit Markenrechten an diesem Namen nicht erfreut sein. Wenn eine Marke zu stark Eingang in den täglichen Wortschatz hält, können Schutzrechte verloren gehen.

Europhorie
Ist ja wohl hoffentlich ironisch gemeint? Ich bin davon überzeugt, dass die Euro08 für die Gesamtwirtschaft unterm Strich negativ ausgefallen ist. Und damit meine ich nicht die Wirte in der Fanzone, die eben willig einer blinden Europhorie zum Opfer gefallen sind. Ich meine Unternehmen wie unseres, die das traditionelle Sommerloch um vier Wochen verlängern mussten, weil sich zur Euro kein Mensch vom Fernseher weg bewegt hat. UNWORT!
Fremdschämen
Mein absoluter Favorit. Keine Ahnung, wer es erfunden hat, aber der Ausdruck war dringend notwendig für all jene Situationen, wo man vor dem Fernseher sitzt und denkt: «Schleichts euch von der Kamera weg!» Reality TV hat also doch sein gutes, zumindest lexikalisch.

Krocha
Ja, sehr Zeitgeistig. Man ist stolz, auch mal Ursprung einer Jugendkultur zu sein, selbst dieser. Die Medien gierten danach.

Lebensmensch
Zweiter Favorit. Wo ist eigentlich der Begriff «Nebenwitwe» (Copyright Misik) abgeblieben?

Stammhirnwähler
Ist an mir vorbeigegangen.

Teflonpolitiker
Gegenstück zum Goretex-Schüler, an dem alles Wissen wie Wasser abperlt.

Wachteleierkoalition
Danke, VdB, da hast du uns ein Schmuckstück hinterlassen. Würde gerne wissen, wer sich das ausgedacht hat.

Zum Unwort des Jahres sind nominiert:
Asylanten-Sonderanstalt
Interessant, dass fast alle Unwörter einmal mehr aus dem Themenkreis der Fremdenfeindlichkeit kommen. Überrascht mich allerdings nicht.

Ausgrenzungsfetischismus
Schön lang ist auch schön. Einfach vergessen.

Bankster
Immer gute Kandidaten für Unwörter: Wortspiele, die nicht recht funktionieren wollen.

Gewinnwarnung
Euphemismen schaffen es auch gernen ins Ranking. Das Wort hat Chancen, ist es doch Ausdruck der Haltung, die uns in diese Wirtschaftskrise geritten hat.

Heimatpartei
Eigentliches Unwort: Der Zusatz «sozial,» den sich gleich mehrere Parteien auf die Fahne geschrieben haben. Wäre mal spannend, eine völlig asoziale Partei zu gründen.

Kulturdelikt
Frau Fekter, was haben Sie uns angetan? Diese schöne Mischung aus politischer Korrektheit und verholenen Animositäten bringt auch keinen weiter. Delikte sind Delikte, illegal ist illegal. Eigentlich wäre vor dem Gesetz jeder gleich.

Migrationshintergrund
Noch einmal ein schönes Beispiel dafür, wie gut gemeinte Korrektheit zu einem Begriff führen kann, der gleich einen negativen Beigeschmack kriegt. Nun, mein Opa ist nach Kanada emigriert. Ich komme aus der Schweiz. Ein Kulturdelikt?

nachhaltig
Ein absoluter Dauerbrenner. Ich erinnere mich an eine Reihe von Kurzpräsentationen neu gegründeter Firmen. Mein Sitznachbar zu mir: «Wenn jetzt noch einmal jemand 'nachhaltig' sagt, dann schreie ich!»

situationselastisch
Hm. Wie? Ging ebenfalls an mir vorbei.

Vorratsdatenspeicherung
Nun ja, hier hat das Konzept, aber nicht das Wort den Preis verdient. Der Begriff an sich beweist, wie produktiv die deutsche Sprache sein kann. Es ist also durchaus möglich, vollkommen neue Konzepte in einem von Englisch dominierten Bereich deutsch zu benennen.

Abgestimmt werden kann hier. Am 11. Dezember werden die Sieger bekannt gegeben.