27.8.08

Gute Kunden

Meine Landsfrau und Mitemigrantin Swiss Miss hat einmal mehr einen großen Fund gemacht: Der nicht ganz ernst gemeinte Leitfaden für gute Kunden aus dem Hause Number 17

Es mag auf den ersten Blick ein wenig arrogant wirken, was sich Designer alles von ihren Auftraggebern wünschen. Tatsächlich funktioniert eine gute Zusammenarbeit aber nur so; auf Augenhöhe. Wenn sich Auftraggeber und Auftragnehmer als Partner sehen, werden beide alles dafür geben, dass das Endresultat perfekt ist. Wenn der Auftraggeber nur anschafft und unsereiner zum Erfüllungsgehilfen wird, passiert etwas anderes. Entweder wir resignieren und machen Dienst nach Vorschrift (mit den entsprechenden Resultaten), oder wir rebellieren und fragen mal nach, wofür wir eigentlich engagiert wurden. Hoffentlich als Berater in der Welt der visuellen Kommunikation. Und nicht als Pixelschieber.

Übrigens: Ich versuche auch dann, wenn ich selbst Auftraggeber bin, ein guter Kunde zu sein. Und vor allem den letzten Punkt der Liste zu beherzigen, nämlich meinem Partner zu vertrauen. Schließlich habe ich mich für ihn entschieden.

16.8.08

Augen statt Regeln

Ein feiner Fund von YouTube. David Carson über die alte Frage, ob man die Regeln kennen muss, um sie zu brechen. Er als Autodidakt sagt natürlich nein. Carson hat so gestaltet, wie es für ihn passend erschien, und andere haben das als Regelbruch interpretiert.

Was er dabei vergisst: Er hat die Regeln vielleicht nicht gelernt, wusste aber wie wir alle, wie regelkonformes Design aussieht. Carson müsste blind durchs Leben gelaufen sein, um nicht gesehen zu haben, was lesefreundliche Typografie oder was Raster ist. Es ist aber sicher relevant, dass er diese traditionellen Begriffe nicht als Vorschriften aus einem Lehrbuch gelernt hat. Als relativ unbeschriebenes Blatt war er vielleicht freier, die Dinge so zu interpretieren, wie er sie sieht.

So hat er jedoch die wohl wichtigsten Regeln im Grafikdesign eingehalten: Denk nach, bevor du gestaltest! Beschäftige dich mit dem Inhalt dessen, was du gestaltest! Und vergiss dabei niemals jene, die dein Produkt ansehen werden!

Insofern ganz klassisch. Dass er mit diesem Prozess eine Stilrichtung geschaffen hat, die heute durch hunderte Nachahmer zum Standardrepertoire gehört, liegt an der Radikalität seines Denkens. Schade, dass sich seit Carson bisher niemand gefunden hat, der einen gänzlich neuen Weg beschreitet.

7.8.08

Design im Wahlkampf

Wahlpropaganda ist ein heikles Thema. Aber manchmal muss man halt dorthin gehen, wo es weh tut. Die Voraussetzungen sind schwierig, aber auch interessant. Eine Koalition, die offenbar eh niemand wollte, ist gescheitert, Neuwahlen wurden sehr kurzfristig anberaumt. Noch sind viele auf Sommerurlaub, erst die beiden großen Parteien und Ex-Koalitionäre haben ihre Sujets schon bekanntgegeben. Nun ist Österreich ein Plakatland und Wahlkampf ein Plakatjob. Dementsprechend ist zu erwarten, dass das Land in den nächsten Wochen sukzessive zuplakatiert wird. Ein Grund mehr, die Plakate etwas genauer anzuschauen.

Bei der gerade noch stärksten Partei setzt man auf das Gesicht des neuen Chefs, Werner Faymann. Sein Gesichtsausdruck erinnert ein bisschen an Tommy Lee Jones in Men in Black II (danke @Karli); ein leicht zerknautschtes Lächeln, nicht zu fröhlich ob der eigenen Zerknirschtheit, aber optimistisch against all odds. Dazu die passende Botschaft: Genug gestritten. Und die wehende rote Flagge im Hintergrund. Die Sozialdemokraten positionieren sich also als Harmoniesuchende, doch das einzige, was sie dafür anzubieten haben, ist ein neues Gesicht. Ein von Skandalen, aber auch jeglichen Positionen unbelastetes Gesicht. Könnte funktionieren. Wenn die Wählerinnen und Wähler nicht argumentieren, dass die Zugeständnisse der Roten, der Harmonie halber, das Anfang vom Ende der jetzigen Regierung waren.

Die ÖVP hat kein neues Gesicht zu bieten und mit Wilhelm Molterer auch niemanden, der seines besonders gern in die Kamera hält. Die konsequenz wohl auch daraus: Rein typografische Wahlplakate, farbkodiert je nach Themengebiet. Die Typo ist soweit modern und fein gemacht (bis auf die unseligen Schlagschatten), das Plakat jedoch mit Botschaften überfrachtet. Den Zungenbrecher-Slogan «Neustart statt Stillstand» (sag das mal schnell drei mal hintereinander) hat man zum Glück unterm ÖVP-Logo versteckt. «Es reicht!» kommt dafür fett in der verzerrten Sprechblase, wohl den Vizekanzler während seiner Pressekonferenz zum Koalitionsende zitierend. Auch die ÖVP will sich also von der Verantwortung für das Scheitern der Regierung abputzen und mit diesem Slogan quasi zur eigenen Opposition werden. Auch die schwarzen Wahlstrategen wissen wohl, dass diese Neuwahlen ein großer Tag für Protestwähler werden wird und wollen das Feld nicht kampflos den Oppositionsparteien links und rechts überlassen. Ein wenig Familien-Sozialkuscheln nach links, ein wenig Ausländer-Hardliner nach rechts. Dass das ganze ungefähr so glaubwürdig ist wie die plakatierten Wahlversprechen der ÖVP, sagen uns schon die Plakate. Die Bombardierung mit Slabserif-Großbuchstaben, Stehsätzen und Schlagzeilen erinnert an die alte Weisheit: «Wer schreien muss, hat nicht viel zu sagen».

Wir sind gespannt, wie die Oppositionsparteien auf so viel Protest reagieren werden. Und wann die Schlammschlacht beginnt.