26.7.06

Neue Wörter

Alles, was ich über Kreativität weiß, habe ich von Pippi Langstrumpf gelernt. Eine Disziplin, die Frau Efraims Tochter besonders gut beherrscht, ist das Erfinden von neuen Wörtern. So kam der "Schpunk" in die Welt, der dann gleich mittels Schpunkfalle dingfest gemacht wurde.

Neue Unternehmen und Produkte sind oft auf der Suche nach ihrem eigenen Schpunk. Sie suchen einen Namen, der in keinem Wörterbuch steht. Ein Wort, das nicht missverstanden oder verwechselt werden kann, weil es kein Mensch im Wortschatz hat. Ein Kunstwort ist der Traum jedes Markenrechtlers, denn als geistige Leistung kann dieses Wort auch geschützt werden, im Gegensatz zu allgemein gültigen Begriffen wie "Baum" oder "Hund". Ein Kunstname kann mir also tatsächlich gehören.

Die Einzigartigkeit des Kunstworts ist gleichzeitig seine größte Schwierigkeit. Das menschliche Hirn verwehrt sich gerne gegen allzu neue und ungewohnte Begriffe. Das Kunstwort muss also so klingen, als ob es ein ganz normales Wort wäre. Es muss sich in seiner morphologischen Struktur der Sprache der Zielgruppe anpassen und idealerweise an Klänge und Bedeutungen anlehnen, die wir kennen. So kann ein neues Wort durch seine Teile eine Bedeutung erhalten, ohne dass sie uns Marketingstrategen beibringen müssen.

Es gibt im Wesentlichen drei Ansätze für die Kreation von Kunstwörtern: die Kombination von Silben, die Veränderung lexikalischer Wörter und die Komposition von bestehenden Wortstämmen zu neuen Komposita. Firmennamen wie "Avaya" oder "Arvato" sind wohl nach der Silbenmethode entstanden; oft helfen Software-Namensgeneratoren bei der Ideenfindung nach. Das Suchmaschinen-Unternehmen Google lehnt sich an das Wort "Googol" (seinerseits ein Kunstwort von fast langstrumpfscher Dimension) an und hat praktisch nur die Schreibweise geändert. Wir unsererseits haben einfach Form und Farbe zum Kunstwort "kreisrot" kombiniert, das genauso gut als Mischung von "kreisrund" und "blutrot" gelesen werden kann.

Paradoxerweise funktionieren Kunstnamen umso besser, je näher sie der tatsächlichen Sprache sind. Die softwaregestützte Silbenmethode führt dagegen immer öfter zu Begriffen, die zu sehr nach Zufallsgenerator klingen. Überzeugender sind Namen, hinter denen eine Idee, eine Geschichte steht. Eine Geschichte, die man im Marketing erzählen kann. Die beste Schpunkfalle ist eben doch die eigene Fantasie.

17.7.06

Z.B. Abk.

Aussagekräftige und möglichst einzigartige Namen für neue Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen zu finden ist kein Kinderspiel. Besonders wenn man von zwölf Millionen weltweit registrierten Markennamen ausgeht. Da ist es zumindest hilfreich zu wissen, welche Möglichkeiten man hat. Es sind letztlich nur vier: Eigennamen, Kunstnamen, lexikalische Begriffe und Abkürzungen.

Zu letzteren greift man als unerfahrener Namensfinder am schnellsten, denn schließlich machen es ja alle Großen so: IBM, HP, OMV, ÖBB und so weiter und so fort. Das ist ein doppelter Trugschluss. Erstens wurden viele Großunternehmen erst an dem Punkt abgekürzt, als sie bereits eine bekannte Marke waren. Zweitens ist es keine schlaue Strategie, es den Großen nachzutun, wenn man nicht ihr Marketingbudget zur Verfügung hat.

Die typischen Drei-Buchstaben-Firmennamen haben tatsächlich viele Nachteile. Sie sagen an und für sich nichts aus, müssen sozusagen übersetzt werden in einen meist langen, umständlichen und allzu allgemeinen Namen. "International Business Machines" war in der Pionierzeit der Schreibmaschine ein guter Name, heute wäre er viel zu nichts sagend. Weil die Abkürzungen so abstrakt und beliebig wirken, fast wie Codes, bleiben sie schlechter im Gedächtnis haften als andere Namen und werden entsprechend weniger leicht wieder erkannt. Da wir nur 26 Buchstaben haben, ist die Zahl der Buchstabenkombinationen endlich und sind Mehrfachbelegungen die Regel. So steht das Kürzel VÖZ für den Verband Österreichischer Ziegelwerke, die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie und den Verband Österreichischer Zeitungen. Die Verwechslungsgefahr ist sogar bei unterschiedlichen Namen groß, denn viele Buchstaben werden sehr ähnlich ausgesprochen. Den Unterschied zwischen ÖGB und ÖBB erschließt einem oft nur der Kontext, manchmal wird es auch zwischen der SPÖ und der FPÖ eng, zumindest phonetisch.

Abkürzungen völlig zu verteufeln wäre jedoch falsch. Es gibt ja auch noch die Königsdisziplin der Verkürzung: das Akronym. Ein Akronym ist eine Abkürzung, die wie ein Wort wahrgenommen und ausgesprochen wird, wie zum Beispiel Aids, Uno, Laser, CERN, RAM, Dink, FIFA oder LAN. Innerhalb kürzester Zeit gehen die durch Akronyme abgekürzten Wörter selbst vergessen. Oder wer weiß heute noch, dass der Lackfarbenstandard RAL ausgeschrieben "Reichs-Ausschuss für Lieferbedingungen" bedeutet? Oder wofür IKEA steht? Das ist aber gar nicht wichtig. Akronyme sind nämlich in Wirklichkeit neue Wörter. Und neue Wörter sind gute Namen, da sie einzigartig und leicht zu merken sind. IMHO.

11.7.06

Linktipp für Visitenkartenfreunde

Ein kleiner Tipp zwischendurch: Die Kollegen von der Riesenmaschine haben auf gewohnt treffende Art beschrieben, wie mit überflüssigen und unschön gestalteten Visitenkarten zu verfahren ist. Was es nicht alles für den USB-Port gibt!

10.7.06

Man spricht Deutsch

Wenn man uns Agenturen einen berechtigten Vorwurf machen kann, dann jenen, dass wir keine vernünftigen Fachbegriffe haben. Wir sprechen von Corporate Identity, Slogans, Marketing, Headlines und Copy Text ohne uns die geringsten Gedanken zu machen, ob der englische Jargon überhaupt verstanden wird. Dementsprechend sorglos ist der Umgang vieler Werber mit der englischen Sprache. Werbesprüche wie "Come in and find out" (Douglas) oder "Powered by Emotion" (Sat1) werden von den Konsumentinnen und Konsumenten einfach nicht verstanden, wie die berüchtigte Endmark-Studie im Jahr 2003 gezeigt hat. Von zwölf vorgelegten englischen Slogans konnten die Testpersonen nur zwei mehrheitlich richtig übersetzen. So dachten einige, Douglas werbe mit "Komm rein und finde wieder raus" und Sat1 setze auf "Kraft durch Freude". Nach der Studie haben diese beiden und viele andere Unternehmen wieder auf deutsche Werbesprüche umgestellt – mit messbarem Erfolg.

Doch selbst wenn man deutsche Texte zu schreiben versucht, schleichen sich englische und pseudo-englische Begriffe ein. Das geschieht manchmal aus Anbiederung an eine falsch verstandene Jugendsprache, oft aber einfach nur, weil ein entsprechender deutscher Begriff fehlt. Dinge wie Laptops, Fast Food oder E-Mail kamen aus dem anglo-amerikanischen Raum zu uns und haben ihre Bezeichnung unverändert mitgebracht. Das müsste nicht so sein: Die Franzosen machten aus dem Mountainbike das "vélo tout terrain" (kurz VTT) und aus "to download" "télécharger". Bis ins 19. Jahrhundert hielten es auch deutschsprachige Autoren und Übersetzer so. Aus dem Kosmos wurde das Weltall, aus dem Acteur der Schauspieler, aus der Passion die Leidenschaft. Nur wer macht sich heute noch die Mühe, Fast Food, Event oder Laptop zu übersetzen?

Wer? Die "Aktion lebendiges Deutsch"! Ins Leben gerufen von der Stiftung Deutsche Sprache macht die Aktion monatlich zwei Vorschläge für Übersetzungen unnötiger Anglizismen und bittet gleichzeitig um Vorschläge für weiter Lehnübersetzungen. So kamen Vorschläge wie "Schnellkost" für Fast Food und "Klapprechner" für Laptop zustande. Heute, 10. Juli 2006, endet die Einsendefrist für Übersetzungsvorschläge für das Wort "Event". Zu gewinnen gibt es nichts. Außer der Genugtuung, mit dem eigenen Grips vielleicht den Duden des 21. Jahrhunderts mit zu gestalten. Vorschläge für eine griffige Übersetzung von "Corporate Design" bitte an uns!