26.6.06

Designleiter

Selbständige Designer sind wie alle Unternehmer gefordert, ihre Dienstleistungen zu verkaufen. Das heißt, wir argumentieren gegenüber unseren potenziellen Kunden, dass sie Geld investieren sollen, um einen entsprechend Mehrwert heraus zu bekommen. Beim Thema Design wird dieser Mehrwert kaum je beziffert, weil er angeblich nicht zu beziffern ist.

In Skandinavien wird der Wert von Design dagegen regelmäßig gemessen und beziffert. In groß angelegten Designstudien wird aufgezeigt, welche Korrelation es zwischen dem Einsatz von Design in Unternehmen und wirtschaftlichem Erfolg gibt. Es gibt diese Korrelation eindeutig – und nicht nur in Skandinavien.

Die Wiener Creative-Industries-Initiative "departure" hat die "1. Österreichische Designleiter" in Auftrag gegeben und letzte Woche präsentiert. In der Studie wurden 1.000 österreichische Unternehmen ab 20 Mitarbeiter zu ihrem Einsatz von Design befragt. Dabei wurden vier "Stufen" von Design unterschieden.

1. Non-Design: Design ist kein Thema
2. Design als Styling: Design als ästhetische Schlusskorrektur am Ende einer Entwicklung
3. Design als Prozess: Design wird sehr früh im Produktentwicklungsbereich eingesetzt.
4. Design als Strategie: Designer arbeiten sowohl mit den Produktentwicklern als auch mit dem Management zusammen. Design gilt als eine zentrale Geschäftsgrundlage.

Die Ergebnisse sind klar. Fast drei Viertel der Befragten sind der Meinung, dass Design die Profitabilität eines Unternehmens erhöht. Diese Einschätzung lässt sich mit einem Blick auf die Unternehmensdaten bestätigen: 94 Prozent aller Unternehmen, die Design als Strategie einsetzen haben positive oder ausgeglichene Geschäftsergebnisse. Bei den Unternehmen, die auf Design verzichten, sind es nur 76 Prozent. In Schweden konnte man auf Umsatzdaten zugreifen und stellte ein Umsatzplus von 9 Prozent der designorientierten Firmen gegenüber Non-Design-Companies fest.

Dennoch setzen in Österreich nur 43 Prozent der Unternehmen Design als Strategie oder Prozess ein. Ein schwacher Wert im Vergleich zu 61 Prozent in Schweden. Dementsprechend stagnieren hierzulande auch die Investitionen in Design. Einzig die ganz großen Unternehmen nehmen mehr Geld in die Hand und haben mehr Erfolg dank Design.

Eine mögliche Schlussfolgerung aus der Studie: Das Bewusstsein für den Wert von Design wächst, den Worten folgen aber kaum Taten. Und je tiefer im Entwicklungsprozess Design eingesetzt wird, desto höher ist der wirtschaftliche Wert. Ästhetisches Drüberbügeln lässt sich vielleicht leichter verkaufen, wirklich wertvolles Design setzt aber dort an, wo es im Inhalte, Nutzen und Prozesse geht.

22.6.06

Gute Schriften

Eine Frage, die mir bei Workshops und Vorträgen über Corporate Design gerne gestellt wird, ist: "Welche Schriftarten sind gut?" Eine Gretchenfrage, die simpel klingt, aber kaum in einem Satz beantwortet werden kann. Am ehesten noch mit der Gegenfrage: "Gut wofür?"

Es gibt natürlich Qualitätskriterien für Schriftarten, die als absolut gelten können. Sie betreffen vor allem die Lesbarkeit. Wie gut wird der Abstand zwischen Buchstaben angepasst (Kerning)? Bleibt sie auf ihrer Grundlinie, die das Lesen leitet, oder hüpfen die Buchstaben herum? Gibt es Wörter, bei denen die Buchstaben aneinander stoßen und dadurch verschwimmen?

Mit solchen Kriterien lassen sich tausende "witzige" Schriftarten ausscheiden, zumindest dann, wenn man sie als Lesetext und nicht für einen typografischen Effekt einsetzt. Man entscheidet sich dann gerne für die Klassiker, womit nicht zwingend Times New Roman und Arial gemeint sind. Schriftfamilien wie Helvetica, Futura, Gill, Bodoni, Rotis oder Bembo sind zwar nicht auf jedem PC vorinstalliert, haben sich aber mehr Eigenständigkeit und Charakter erhalten können.

Auch wenn man sich auf klassische, qualitativ hochwertige und nicht überbenutzte Schriften einschränkt, bleibt eine große Auswahl übrig. Auf myfonts.com finden sich über 49.000 Fonts, von denen geschätzte 1.000 bis 3.000 einer strengen Überprüfung standhalten würden. Für eine gute Auswahl braucht es deswegen Erfahrung, Fingerspitzengefühl und ein klares Ziel: Wo und wie wird die Schriftart eingesetzt, welchen Charakter soll sie vermitteln?

Eine Faustregel gibt es dabei: Schriften mit Serifen (den Füßchen am Ende der Buchstabenstriche; Times, Bodoni, Garamond) wirken traditioneller, Schriften ohne Serifen (Arial, Verdana, Helvetica) moderner. Das hat historische Hintergründe. Die Antiquaschriften mit Serifen wurden von den Römern erfunden und kommen daher, dass Inschriften vor dem Einmeißeln mit einem flachen Pinsel aufgemalt wurden. Vom Ansatz des Pinsels kommen die Serifen. Grotesk-Schriften ohne Serifen wurden Ende des 19. Jahrhunderts von Menschen geometrisch konstruiert, die man heute Designer nennen würde. Bis heute haben sie sich den Touch des Modernen erhalten. Deswegen verwenden Anwaltskanzleien und Steuerberater gerne Antiquaschriften, während Architekten und Möbeldesigner eher auf Grotesk setzen.

Wie bei jeder Faustregel gibt es in der Frage Antiqua gegen Grotesk allerdings fast so viele Ausnahmen wie Regelfälle. So arbeitet die Firma Apple Computer, die für ihre Designkompetenz bekannt ist, mit einer topmodernen Serifenschrift. Was eine passende und damit gute Schrift ist, muss also immer im Einzelfall entschieden werden. Allgemeine Aussagen stehen auf sehr wackligen Füßen.

13.6.06

Gute Worte

Mindestens so wichtig wie die Optik eines Unternehmens ist seine Sprache. "Corporate Wording" nennt sich das im Fachjargon. Dass dabei Worte, Sätze und Phrasen dabei ebenso den Wirren der Mode unterworfen sind wie Grafik oder Kleidung, belegt das Branchenportal slogans.de. 22.436 Slogans aus mindestens 6 Jahrzehnten sind hier in der Datenbank versammelt.

Slogans sind ja die Verdichtung von Corporate Wording, der Schlachtruf eines Unternehmens, der in wenigen Worten alles auf den Punkt bringen soll. Umso interessanter ist es, die Wandlung der Worte in Slogans auf dem "Slogometer" von slogans.de zu beobachten. Der Slogometer misst einfach, wie oft gewissen Worte in Slogans vorkommen und generiert so Top-Listen für unterschiedliche Jahre und Jahrzehnte.

Im Jahr 2006 belegen "Wir", "Mehr" und "Sie" die Spitzenplätze. "Wir" deutet darauf hin, dass die meisten Unternehmen in ihrem Slogan die Antwort auf die philosophischste aller Fragen suchen, die Frage "Wer sind wir?". Die hohe Platzierung von "Sie" zeigt, dass uns Unternehmen gerne direkt ansprechen und uns mitteilen, was wir wirklich wollen. Das Wort "Mehr" ist ein Dauerbrenner der letzten Jahre – ein Zeichen dafür, dass sich Quantität in der Konsumgesellschaft zum höchsten Wert mausert. Im Direktvergleich dazu die Fünfzigerjahre. Platz 1: "Gut." Platz 2: "Güte." Platz 3: "Man." Da schwingt schon etwas irrationale Sehnsucht mit nach einer Zeit, in der es noch gereicht hat, ein Produkt als "gut" zu bezeichnen. Einer Zeit, in der "man" noch gewusst hat, was "gut" heißt. Das zeigt aber vor allem, dass Slogans ein Spiegel ihrer Zeit sind.

Gute Slogans schaffen es auch heute, jenseits von inhaltsleerem Werbegewäsch gesellschaftliche Strömungen und Tendenzen, wenn nicht sogar die Sehnsüchte der Konsumenten auf den Punkt zu bringen. Die kontroverse Diskussion um Slogans wie "Geiz ist geil" oder "Weg mit dem Speck" haben gezeigt, wie tief solche Schlagworte schürfen können.

6.6.06

In Namen investieren

Amerikanische Forscher sind immer für Erkenntnisse gut, die oberflächlich betrachtet banal scheinen. Wenn man genauer nachdenkt, erschließen sich durch die empirische Überprüfung von Binsenwahrheiten jedoch tiefe Erkenntnisse. So haben Psychologen der Universität Princeton herausgefunden, dass bei einem Börsengang Unternehmen mit einem Namen, der einfach auszusprechen ist, besser abschneiden, als solche, die nicht so zungenschmeichlerisch benamst sind. So hat beim fiktiven IPO eine Testfirma namens "Mayville" besser abgeschnitten als eine andere namens "Ulymnius". Nach ein paar Tagen nimmt der Effekt ab, in den ersten Tagen beträgt der Unterschied zwischen dem Portfolio mit "guten" Namen und jenem mit "schlechten" Namen über zehn Prozent der Investition.

Investoren lassen ihr Geld also lieber bei einem Unternehmen, dessen Namen irgendwie bekannt klingt. Das belegt einerseits, dass geschäftliche Entscheidungen nicht so rational sind, wie sie gerne dargestellt werden. Andererseits stellt das UnternehmensgründerInnen und Markenmacher vor eine große Herausforderung: Es gilt, einen Namen zu schaffen, der noch nie da war, aber so klingt, als wäre er schon immer da gewesen.

Schon der erste Teil, die Einzigartigkeit, ist mehr als fordernd. In unserer Erfahrung fallen zwischen 80 und 90 Prozent aller Namensideen weg, weil sie schon von anderen Unternehmen benutzt werden oder zumindest die entsprechenden Internet-Domains besetzt sind. So kommen jene komplizierten und wenig nachvollziehbaren Marken- und Unternehmensnamen zustande, die in der Princeton-Studie abgewertet werden: Die einfachen Lösungen waren scheinbar schon alle weg. Oft verlässt man sich deshalb auf computergenerierte Silbenkombinationen, die maximale Einzigartigkeit und gute Voraussetzungen für den Markenschutz bieten.

Mit dem entsprechenden Budget kann man selbstverständlich jedes Wort zur Marke machen. Die Princeton-Studie belegt aber, dass es diese Kunstprodukte schwerer haben als Namen, die Anleihen an bekannte Sprachen nehmen und dadurch Assoziationen wecken. Der Weg zu diesen Namen ist zugegebenermaßen steiniger geworden, der Schlüssel bleibt aber derselbe: menschliche Kreativität, gepaart mit gesundem Durchhaltevermögen. Denn wer schon nach der 40. Idee aufgibt, wird kaum fündig werden.