22.6.06

Gute Schriften

Eine Frage, die mir bei Workshops und Vorträgen über Corporate Design gerne gestellt wird, ist: "Welche Schriftarten sind gut?" Eine Gretchenfrage, die simpel klingt, aber kaum in einem Satz beantwortet werden kann. Am ehesten noch mit der Gegenfrage: "Gut wofür?"

Es gibt natürlich Qualitätskriterien für Schriftarten, die als absolut gelten können. Sie betreffen vor allem die Lesbarkeit. Wie gut wird der Abstand zwischen Buchstaben angepasst (Kerning)? Bleibt sie auf ihrer Grundlinie, die das Lesen leitet, oder hüpfen die Buchstaben herum? Gibt es Wörter, bei denen die Buchstaben aneinander stoßen und dadurch verschwimmen?

Mit solchen Kriterien lassen sich tausende "witzige" Schriftarten ausscheiden, zumindest dann, wenn man sie als Lesetext und nicht für einen typografischen Effekt einsetzt. Man entscheidet sich dann gerne für die Klassiker, womit nicht zwingend Times New Roman und Arial gemeint sind. Schriftfamilien wie Helvetica, Futura, Gill, Bodoni, Rotis oder Bembo sind zwar nicht auf jedem PC vorinstalliert, haben sich aber mehr Eigenständigkeit und Charakter erhalten können.

Auch wenn man sich auf klassische, qualitativ hochwertige und nicht überbenutzte Schriften einschränkt, bleibt eine große Auswahl übrig. Auf myfonts.com finden sich über 49.000 Fonts, von denen geschätzte 1.000 bis 3.000 einer strengen Überprüfung standhalten würden. Für eine gute Auswahl braucht es deswegen Erfahrung, Fingerspitzengefühl und ein klares Ziel: Wo und wie wird die Schriftart eingesetzt, welchen Charakter soll sie vermitteln?

Eine Faustregel gibt es dabei: Schriften mit Serifen (den Füßchen am Ende der Buchstabenstriche; Times, Bodoni, Garamond) wirken traditioneller, Schriften ohne Serifen (Arial, Verdana, Helvetica) moderner. Das hat historische Hintergründe. Die Antiquaschriften mit Serifen wurden von den Römern erfunden und kommen daher, dass Inschriften vor dem Einmeißeln mit einem flachen Pinsel aufgemalt wurden. Vom Ansatz des Pinsels kommen die Serifen. Grotesk-Schriften ohne Serifen wurden Ende des 19. Jahrhunderts von Menschen geometrisch konstruiert, die man heute Designer nennen würde. Bis heute haben sie sich den Touch des Modernen erhalten. Deswegen verwenden Anwaltskanzleien und Steuerberater gerne Antiquaschriften, während Architekten und Möbeldesigner eher auf Grotesk setzen.

Wie bei jeder Faustregel gibt es in der Frage Antiqua gegen Grotesk allerdings fast so viele Ausnahmen wie Regelfälle. So arbeitet die Firma Apple Computer, die für ihre Designkompetenz bekannt ist, mit einer topmodernen Serifenschrift. Was eine passende und damit gute Schrift ist, muss also immer im Einzelfall entschieden werden. Allgemeine Aussagen stehen auf sehr wackligen Füßen.

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