27.11.06

Alibi-Identität

Ein neues Corporate Design beginnt mit der Arbeit an der eigenen Identität. Gute Designs können nur entstehen, wenn vor dem ersten Entwurf klar ist, welche Botschaft wir überhaupt kommunizieren wollen. Deshalb nötigen wir unsere Kunden, bevor wir irgend etwas tun, mit uns in einem kleinen Workshop die eigene Corporate Identity, also die Unternehmensidentität, genauer anzuschauen.

Ein fixer Bestandteil dieses Workshops ist die Suche nach Adjektiven, die zentrale Qualitäten des Unternehmens beschreiben. Erstaunlicherweise ist es für viele Kundinnen und Kunden nicht einmal so leicht, spontan fünf solche Adjektive zu produzieren. Im Alltagsgeschäft gehen die eigenen Stärken allzu oft vergessen. Noch öfter kommen bei dieser Übung jedoch Stichworte wie diese heraus:

  • Professionell
  • Verlässlich
  • Kundenorientiert
  • Innovativ
  • Dynamisch

Wie viel diese Begriffe wert sind, dass haben die Kollegen von Identitäter in ihrem Alibi-Leitbild auf wunderbare Weise dargestellt: Es sind nur nach Schema F reproduzierte Floskeln. Der Unternehmer und die Unternehmerin listet also auf, was heute für jede Firma selbstverständlich sein sollte.

Da hilft nur genaues Nachfragen. Was genau bedeutet »professionelles« Arbeiten für Sie? Und inwiefern sind anderen Anbieter am Markt weniger professionell? Was ist es ganz konkret, dass Sie von der Masse unterscheidet? So treten oft erstaunliche Dinge zu Tage, die man nie erfahren hätte, hätte man sich mit den Floskeln abspeisen lassen.

Warum das Nachbohren so wichtig ist? Ganz einfach: Die informierten Konsumentinnen und Konsumenten der Gegenwart haben inhaltsleere Versprechen satt. Sie wollen Fakten statt Superlative, handfesten Nutzen statt flüchtige Features. Sie wollen wissen, warum sie gerade bei diesem Unternehmen kaufen sollen, wo es doch so viele andere gibt.

Wenn das auch der Logo-Designer weiß, dann wird mehr herauskommen als bunter Schmuck für die rechte obere Ecke der Visitenkarte. Dann wird das Logo Ausdruck der einzigartigen Identität des Unternehmens, ein Zeichen mit dem Potenzial zur Marke.

20.11.06

Gar nicht lustig

Wohl keine Schriftart der Welt – mit der möglichen Ausnahme von Arial – ist unter Designern so unbeliebt wie Comic Sans. Der Grund dafür ist paradoxerweise in ihrer Beliebtheit bei Nicht-Designern zu suchen. Seit Windows 95 schickt Microsoft die Schrift mit seinem System mit, und seither schmückt die Comic Sans alles, was irgendwie lustig, freundlich und verspielt sein soll. Von der Menükarte über den Firmenfolder bis hin zum Plakat.

Dabei schreibt selbst der Designer der Comic Sans fast entschuldigend auf seiner Website, dass diese Schrift nur für die Sprechblasen eines lustigen Hundes in einem Microsoft-Programm gezeichnet wurde. Für längere Texte oder gar Beschriftungen war sie nie gedacht. Doch dann spielte das Prinzip «Microsoft Office»: Was an Schriften installiert ist, wird auch eingesetzt. Die Resultate sind unter anderem bei Flickr zu bestaunen.

Das macht Designer wütend. So wütend, dass sie eine Aktion gestartet haben, die Comic Sans verbieten will: Ban Comic Sans. Eine lustige Aktion gegen die nicht lustige Schrift? Nun, die Abneigung der Profis gegen Comic Sans hat Gründe jenseits des Branchendünkels. Comic Sans hat keine durchgehende Grundlinie, dadurch scheinen die Buchstaben herumzuspringen und das Auge wird nicht geführt. Die Bögen und Schenkel der Buchstaben sind krakelig, die Buchstaben mal nach links, mal nach rechts geneigt. Auch das hemmt den Lesefluss ungemein. Durch die unruhige Führung wird auch die Erkennbarkeit auf Distanz minimiert. Kurz: Comic Sans ist schlicht und einfach keine Leseschrift. Dann doch lieber Times New Roman.

9.11.06

Richtig gestrichen

Typografie ist die Lehre der pingeligen Fitzelei beim Schriftsetzen. Die Verbreitung der elektronischen Textverarbeitung hat dazu geführt, dass jeder und jede vollautomatisch gedruckte Texte produzieren kann, ohne sich weitere Gedanken zu machen. Das hat einerseits dazu geführt, dass man heute sorgfältig argumentieren muss, was die Kunst der Typografie ausmacht, und andererseits dazu, dass Typo-Fehler allgegenwärtig sind.

Am leichtesten lässt sich das an den diversen Strichen festmachen, welche die deutsche Schriftsprache strukturieren. So hat das Zollzeichen (") zu einer unglaublichen Verbreitung gefunden, ohne dass wir in Europa das metrische System aufgegeben hätten. Statt als Maßeinheit wird es als Ersatz für die guten alten „Anführungszeichen“ benutzt, die im Deutschen wie zwei kleine Neuner vorne unten und zwei kleine Sechser hinten oben gesetzt werden. Alternativ kann man es auch den Franzosen nachmachen und »französische« Anführungszeichen setzen. Die gehen auch mit der Spitze nach «außen». Ein Apostroph übrigens sieht so ’ aus und nicht wie ein französischer Accent so ` oder so ´. Auch ja, der deutsche Genitiv braucht kein Apostroph, außer das Wort endet auf einen S-Laut. Also «Aristoteles’ Schriften», aber NICHT «Mausi’s Würstelecke».

Durch die omnipräsente Textverarbeitung scheint auch der Gedankenstrich mehr oder weniger das Zeitliche gesegnet zu haben. Ihm hat der kürzere Trennstrich (= Divis) das Wasser abgegraben. Eine Rationalisierungsmaßnahme? Der Gedankestrich – eingesetzt, um eingeschobene Satzstücke abzutrennen oder Pausen im Text anzudeuten – ist etwas länger als der Trennstrich, der getrennte und zusammengesetzte Worte wie «Existenzanalytiker-Gemeinschaft» verbindet.

Eigentlich gar nicht so schwer, wenn man es mal verstanden und die notwendigen Tastenkombinationen auf seiner Tastatur gefunden hat. Ausführlichere Erläuterungen gibt es auf dieser Website.