7.8.08

Design im Wahlkampf

Wahlpropaganda ist ein heikles Thema. Aber manchmal muss man halt dorthin gehen, wo es weh tut. Die Voraussetzungen sind schwierig, aber auch interessant. Eine Koalition, die offenbar eh niemand wollte, ist gescheitert, Neuwahlen wurden sehr kurzfristig anberaumt. Noch sind viele auf Sommerurlaub, erst die beiden großen Parteien und Ex-Koalitionäre haben ihre Sujets schon bekanntgegeben. Nun ist Österreich ein Plakatland und Wahlkampf ein Plakatjob. Dementsprechend ist zu erwarten, dass das Land in den nächsten Wochen sukzessive zuplakatiert wird. Ein Grund mehr, die Plakate etwas genauer anzuschauen.

Bei der gerade noch stärksten Partei setzt man auf das Gesicht des neuen Chefs, Werner Faymann. Sein Gesichtsausdruck erinnert ein bisschen an Tommy Lee Jones in Men in Black II (danke @Karli); ein leicht zerknautschtes Lächeln, nicht zu fröhlich ob der eigenen Zerknirschtheit, aber optimistisch against all odds. Dazu die passende Botschaft: Genug gestritten. Und die wehende rote Flagge im Hintergrund. Die Sozialdemokraten positionieren sich also als Harmoniesuchende, doch das einzige, was sie dafür anzubieten haben, ist ein neues Gesicht. Ein von Skandalen, aber auch jeglichen Positionen unbelastetes Gesicht. Könnte funktionieren. Wenn die Wählerinnen und Wähler nicht argumentieren, dass die Zugeständnisse der Roten, der Harmonie halber, das Anfang vom Ende der jetzigen Regierung waren.

Die ÖVP hat kein neues Gesicht zu bieten und mit Wilhelm Molterer auch niemanden, der seines besonders gern in die Kamera hält. Die konsequenz wohl auch daraus: Rein typografische Wahlplakate, farbkodiert je nach Themengebiet. Die Typo ist soweit modern und fein gemacht (bis auf die unseligen Schlagschatten), das Plakat jedoch mit Botschaften überfrachtet. Den Zungenbrecher-Slogan «Neustart statt Stillstand» (sag das mal schnell drei mal hintereinander) hat man zum Glück unterm ÖVP-Logo versteckt. «Es reicht!» kommt dafür fett in der verzerrten Sprechblase, wohl den Vizekanzler während seiner Pressekonferenz zum Koalitionsende zitierend. Auch die ÖVP will sich also von der Verantwortung für das Scheitern der Regierung abputzen und mit diesem Slogan quasi zur eigenen Opposition werden. Auch die schwarzen Wahlstrategen wissen wohl, dass diese Neuwahlen ein großer Tag für Protestwähler werden wird und wollen das Feld nicht kampflos den Oppositionsparteien links und rechts überlassen. Ein wenig Familien-Sozialkuscheln nach links, ein wenig Ausländer-Hardliner nach rechts. Dass das ganze ungefähr so glaubwürdig ist wie die plakatierten Wahlversprechen der ÖVP, sagen uns schon die Plakate. Die Bombardierung mit Slabserif-Großbuchstaben, Stehsätzen und Schlagzeilen erinnert an die alte Weisheit: «Wer schreien muss, hat nicht viel zu sagen».

Wir sind gespannt, wie die Oppositionsparteien auf so viel Protest reagieren werden. Und wann die Schlammschlacht beginnt.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ein sehr schöner Beitrag! Ich finde die Wahlplakte der ÖVP jedoch wirklich grässlich. Vom Schlagschatten abgesehen sind sie einfach so überladen, wie es nur geht. Fünf Botschaften auf einem Plakat ist ziemlich arg. Die Schriftwahl an sich nicht so schlecht. Doch das »Es reicht!« kann ich mir in seiner brutalen Verzerrtheit einfach nicht ansehen. Richtig billig. Aber passt so auch perfekt zum katastrophalen Webauftritt.