2.6.08

Good Bye Logo

Eine Entwarnung vorweg: Wir sperren nicht zu, noch wechseln wir den Unternehmensgegenstand. Der Titel des Artikels ist jener eines Buchs von Neil Boorman, das ich hier bespreche. Das ist gleichzeitig der erste Teil einer Reihe von Buchbesprechungen, die fürs Rundschreiben geplant sind.

«Good Bye Logo» ist für mich doppelt interessant; einerseits geht es um Marken und darum, wie sie unsere Welt bestimmen, andererseits ist das Buch aus einem Blog namens «Bonfire of the Brands» geboren. Wer weiß, vielleicht wird's ja bei mir doch auch noch was.

Neil Boorman ist Journalist, Eventmanager und war, vor seinem Projekt, bekennender Marken-Junkie. Er hat, im Buch haarklein aufgelistet, tausende britische Pfund für Schuhe, Jacken, Kappen, Elektronik und Küchengeräte ausgegeben, weil ... es sich gut angefühlt hat. Er hat die Markenbotschaften der großen Designer dermaßen verinnerlicht, dass er sich und andere gemäß ihrer Brandnutzung definierte. Da konnte es schon mal passieren, dass eine wunderschöne Frau im Bus sämtliche Ausstrahlung verlor, weil sie Puma-Schuhe trug.

Startpunkt des Blogs war eine Selbsterkenntnis: So kann es nicht mehr weitergehen. Die Markenware muss weg, ein markenfreies Leben her. Mit der Radikalität eines Alkoholikers auf Entzug beschloss Boorman, seine Markensammlung in der Londoner Innenstadt anzuzünden, vollkommen zu vernichten. Danach wollte er sicherstellen, dass er komplett ohne Logos lebte. T-Shirts ohne Etikett, selbstgemachte Zahnpasta, Lebensmittel vom Markt. Selbst seinen Apple-Laptop ließ Boorman deart umbauen, dass sämtliche Äpfel von ihm verschwanden.

Interessant an der Form des Buches ist, dass ihm die Blog-Herkunft anzumerken ist. Schon vor dem Tag des Scheiterhaufens kommen die Reaktionen darauf, von Medien, aber auch durch Kommentare im Blog. Wir erleben den Autoren also nicht nur in der Selbstreflexion, sondern immer auch wieder im Rechtfertigen seiner Idee.

Aus dieser Struktur heraus entstehen leider auch immer wieder Längen und Redundanzen – das Buch hätte bestimmt noch gekürzt werden können. Boormans Interpretationen von Markenbotschaften, Markenwirkung und deren Auswirkung auf seine Persönlichkeit sind sehr individuell und sicher nicht allgemein gültig. Die Bemühungen um ein markenfreies Leben sind witzig zu lesen, werden aber für die wenigsten nachzuvollziehen sein. Dennoch habe ich einiges mitgenommen. Einmal die Bestätigung, dass Markenbotschaften mächtige Instrumente sind, die auch gewisse Gefahren in sich tragen. Wenn man Boorman gegen den Strich liest, kann man aber auch lernen, wozu gute Marken in unserer Zeit da sind: Sie bieten Orientierung. Es ist nun einmal fast unmöglich, die beste Kompakt-Stereoanlage für mich zu finden. Zu wenig kenne ich mich mit der Technik aus, zu lang sind die Feature-Listen der einzelnen Produkte, zu groß ist die Auswahl. Ganz abgesehen davon, dass Produkte austauschbar geworden sind, seit sowieso alle in China produziert werden. So wird die Marke zu einem der wichtigsten Auswahlkriterien (wenn ich mich nicht ausschließlich nach dem Preis richten will). Kenne ich sie, spricht sie mich an, was verspricht sie? Das kann natürlich dazu führen, dass ich alleine für die Marke einen höheren Preis bezahle, was Boorman kritisiert. Ich sehe das etwas anders: Orientierung, Klarheit und Vertrauen sind Werte, die man mitkauft. Und dagegen ist nichts einzuwenden, solange wir uns dessen bewusst sind.

Designtechisch gesehen haut mich das etwas zu offensichtliche Cover nicht um, fein allerdings ist diese kleine Idee: Das Logo des Verlags ist nur aufgeklebt, damit das Buch markenfrei gemacht werden kann.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo,

Schöne Buchbeschreibung.
So wird wohl durch die Katharsis aus dem Marken-Saulus der Jute-tragende-Öko-Paulus ;).

Ich habe vor einiger Zeit mal euren Artikel zum Thema Crowdsourcing gelesen. Danke für die Inspiration. Jetzt, nach einiger Recherche, habe ich dem Thema in meinem Blog auch mal angenommen.

Markus Widmer hat gesagt…

Danke für die Rückmeldung und Gratulation zum feinen Blog! Öko-Paulus ist gut... :-)