21.6.07

creativespace.at

Die Wiener Wirtschaftskammer hat sich in den letzten zwei Jahren sehr um die so genannten «Creative Industries» gekümmert mit dem erklärten Ziel, Wien zu einem Top-Standort für diese Sparte zu machen. Diverse Initiativen und Förderungen wurden dafür ins Leben gerufen, insbesondere für die Sparten Produktdesign, Musik und Mode, wo man sich den schnellsten Nutzen für den Wirtschaftsstandort erwartet.

Das neuste Produkt dieser Anstrengungen ist creativespace.at, eine Website, die als Plattform für die gesamte Wiener Kreativwirtschaft dienen soll, beziehungsweise als Marktplatz, auf dem die nicht so kreative Wirtschaft Dienstleistungen finden soll.

Klar, wir lassen keine Gelegenheit aus, unsere Referenzen zu präsentieren. Also haben wir uns fix registriert und wurden per Mail mit einem Word-Formular beglückt, das es korrekt auszufüllen galt, inkl. einer Liste mit den zu verlinkenden Bildern. Willkommen im Web 0.5! Gut, der Content stand trotzdem sehr fix online und schaut auch ganz gut aus. Da die Kammer massiv Werbung für das Portal gemacht hat, haben sich auch einige Zugriffe auf unsere Website ergeben. Dennoch ist die Liste der Unternehmen, die mitmachen, bisher eher kurz, vor allem in den Bereichen jenseits von Grafik Design. Noch viel kürzer ist die Liste der Job-Angebot im Marktplatz. Gut, lassen wir es mal in Ruhe wachsen.

Klar ist: Ich erwarte mir nicht viel von dem Portal. Meine Vermutung ist, dass es vor allem von der Kreativindustrie dazu benutzt wird, ein Auge auf die Konkurrenz zu werfen. Auch okay. Der Trendforscher Charles Leadbeater hat es in diesem Interview jedoch schön auf den Punkt gebracht: Wenn schon staatliche Intervention, dann sollte in das kreative Umfeld einer Stadt investiert werden. Da gäbe es in der Kulturstadt Wien viele Ansatzpunkt, wo durchaus auch schon etwas gemacht wird. Die hundertste Netzwerkplattform und das tausendste Netzwerktreffen mit Buffet werden an der Situation, dass Design von der Mehrzahl der Unternehmen unterschätzt wird, nichts ändern. Kein Verband kann uns die Arbeit abnehmen, raus zu gehen und unsere potenziellen Kunden zu überzeugen.

Die einzige Netzwerkplattform, die mir je etwas gebracht hat, ist XING, als es noch OpenBC hieß. Was meiner Meinung nach daran liegt, dass auf dieser Plattform (für die Benützer) die Menschen und nicht das Geschäft im Vordergrund stehen. Es geht für mich eher darum, das Potenzial der realen Vernetzung meiner Kontakte zu erkennen, als dieses Netzwerk künstlich zu erweitern. Wenn Netzwerke dazu geschaffen werden, irgend jemandem etwas zu verkaufen, führt das nur dazu, dass die Mitgliederliste voller Verkäufer ist, die dir etwas andrehen wollen. Dementsprechend wenige Käufer werden da mitmachen. Echte Netzwerke, gute Plattformen sind eben gerade nicht geschäfts- und zielorientiert. Das Netzwerk ist Selbstzweck. Und das ist paradoxerweise gut fürs Geschäft.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

meine creativespace.at kritik fiel ähnlich aus. aber ich beobachte das projekt genau weil ich herausfinden will wieviel einmaliges pull-marketing sogar eine schlechten plattform bringt.

Markus Widmer hat gesagt…

Strenge Worte, aber sehr berechtigt. Ich denke, die Plattform braucht eine langfristigere Aufmerksamkeit, als sie Pull-Marketing schaffen kann. Und das geht nur mit User-Nutzen und -Freundlichkeit. Beides doch eher mau bei creativespace.at.

Anonym hat gesagt…

Ich finde diese Rezension eh noch sehr sanft... das ärgerliche ist ja, dass hier ein Riesen-Aufwand mit händischer Dateneinpflege betrieben wird... finanziert werden muss die Plattform immerhin mit der Kammerumlage:
Die Wirtschaftskammer und das Web 2.0