13.9.07

Crowdsourcing

Ach ja, die Modewörter des Web 2.0. «Crowdsourcing» ist eines davon. Früher nannte man das «Ideenwettbewerb». Doch dank Globalisierung, Elektronisierung und Internet nimmt das Ganze andere Dimensionen an. Ein bisschen so wie Kassettentauschen vs. Peer-to-Peer-Download.

Gleich zwei große deutsche Sites haben kürzlich Crowdsourcing-Wettbewerbe gestartet, weil sie auf der Suche nach einem neuen Logo waren. Die Social-Bookmark-Site Mr. Wong und das Blog Spreeblick. Die Dimensionen sind etwas unterschiedlich (400 Euro bei Spreeblick, insgesamt 12.000 Dollar für Mr. Wong), die Resultate ähnlich.

Spreeblick hat mitgeteilt, dass man sich trotz 50 plus Entwürfe nicht entscheiden konnte. Bei Mr. Wong ist die Entscheidung noch nicht gefallen, 127 Entwürfe von sagen wir mal unterschiedlicher Qualität werden die Sache nicht leicht machen. Schon jetzt kann man sagen, dass diese beiden Crowdsourcing-Experimente gescheitert sind.

Gründe dafür gibt es viele. Zum einen waren, wie fast immer, die Briefings nicht gerade vielsagend. Bei Mr. Wong lief es auf «wir brauchen ein neues Logo» hinaus. Wo und wie wird das Logo eingesetzt? Wer ist die Zielgruppe? Was will man aussagen? In welche ästethische Richtung soll es gehen? All das muss man sich selber denken. Bei Spreeblick gab's immerhin klarere Vorgaben, dafür kaum Budget. Die Möglichkeit, rückzufragen und jene Leute kennenzulernen, die nachher mit dem Logo arbeiten, gibt es natürlich nicht.

Die schiere Masse der Entwürfe ist das zweite Problem. Es wäre ja interessant, wirklich 100 Ideen für ein Logo zu haben, denn Kreativität heißt, viele Ideen zu sammeln und die besten herauszufiltern. Es hat sich nun aber niemand hingesetzt und selbst 100 Ideen gefunden. Im Gegenteil: Da die Chance zu gewinnen so gering ist, haben sich die meisten wohl nicht mehr als ein, zwei Stunden Zeit genommen, um ihren Eintrag fertigzustellen. Das Resultat: Wir haben eigentlich nur 100 erste Ideen und nie die 100. Idee. Aber genau die wäre wohl die beste gewesen. Es kommt noch dazu, dass viele Teilnehmer offensichtlich auch ihr erstes Logo gestaltet haben und jene Fehler begangen haben, die man nach dem 50. Projekt nicht mehr macht.

Es läuft also auf die Frage hinaus, ob ich lieber 200 Liebhaber oder einen Profi für mein Projekt arbeiten lasse. Ein finanzielles Risiko ist es allemal, egal, welchen Weg ich gehe. Denn auch ein Profi-CD-Projekt kann schief gehen, wenn Kunde und Grafikbüro einander nicht vor dem ersten Entwurf genau verstehen. Es gehört eben auch zum Job eines Profis, genau dafür zu sorgen.

Ideenwettbewerbe können enorm inspirieren, vor allem, wenn es nur um Ideen geht. Sobald auch eine Umsetzung, die technisches Wissen erfordert, gefragt ist, würde ich eher die Finger von «Crowdsourcing» lassen. Jeder Mensch ist kreativ, das stimmt und das gilt es zu nutzen. Aber nicht jeder Mensch ist ein Experte für jede Materie. Ich denke: Gerade in unserer Informationsgesellschaft gilt es, viel zu wissen und zu sehen, aber nur das zu tun, was man wirklich am besten kann.

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