26.9.06

Redesign aktuell

In der Bundesrepublik Deutschland gehen derzeit die Wogen hoch. Der Grund: Gleich zwei bekannte Unternehmen haben sich diese Woche entschlossen, massive Änderungen in ihrer Markenstrategie vorzunehmen. Schon länger am Horizont abgezeichnet hat sich die Aktion des Einzelhandel-Riesen und Billa-Besitzers Rewe. Das Unternehmen hat am Montag 3.000 Supermärkte für die neue Dachmarke »Rewe« fit gemacht. 350 Arbeiter montierten unter anderem 24.000 Quadratmeter Acrylglas, um innerhalb eines Tages Kleinmärkte namens »HL« oder »Minimal« verschwinden zu lassen. 60 Millionen Euro habe die Großaktion gekostet. Die gut etablierte Marke »Penny« bleibt erhalten, die österreichischen Marken »Billa«, »Bipa« und »Merkur« bleiben wohl auch unangetastet.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich das rasend erfolgreiche Online-Netzwerk »openBC« ab morgen offiziell »XING« nennen wird. Der neue Name und das neue Logo haben in der Blogosphäre einiges an Aufregung und Häme produziert. Der Wechsel wäre unnötig, man werfe eine erfolgreiche Marke weg und warum, bitte, hat niemand die fast zehn Millionen User gefragt? Das neue Logo scheint sowieso niemandem zu gefallen. So einfallslos!

Viel Hintergrund zu den beiden Rebrandings gibt es derzeit nicht. Klar ist jedoch, dass es sich um klare strategische Entscheidungen handelt, für die durchaus gute Argumente sprechen. Die Rewe Gruppe hat in den letzten Jahren ihr öffentliches Profil gestärkt, um vom Image des Tante-Emma-Laden-Killers weg zu kommen. Da ist es nur logisch, im nächsten Schritt ein paar mäßig bekannte Marken zu opfern, um die Identifikation zwischen Markt und Unternehmen herzustellen. Unternehmen wie Spar oder die Schweizer Migros sind und waren mit der Monobrand-Strategie ausgesprochen erfolgreich. Man riskiert zwar, dass sich negative Nachrichten über den Konzern direkter aufs Konsumverhalten im Markt auswirken. Umgekehrt hat aber zum Beispiel Migros bewiesen, dass kulturelles, soziales und ökologisches Engagement des Unternehmens den Umsatz an der Kasse positiv beeinflussen kann. Wenn sich also Rewe als Unternehmen gut verkauft, werden auch die Märkte profitieren.

Der Name »openBC« ist dagegen ein Opfer des eigenen Erfolgs geworden. Man ist in internationale Märkte vorgestoßen, in denen die englische Sprache und Aussprache zu Schwierigkeiten führt. Das größere Problem ist aber, dass mit dem Erfolg auch die Nachahmer gekommen sind. Und dass »open Business club« kein guter Markenname ist, weil er das Produkt zu generisch beschreibt. Das Unternehmen wird kaum verhindern können, dass andere »Business Clubs« oder »Open Clubs« entstehen. Deshalb heißt »Ebay« eben nicht »Webaction.com« und »Amazon« nicht »onlinebookstore.com«. Der Begriff »XING« ist sowohl im westlichen als auch im asiatischen Raum positiv besetzt und stellt einen Bezug zum Netzwerk her, denn »X-ING« kann auch für »Crossing« stehen. Klar ist der Name nicht einzigartig, aber das gilt für praktisch jedes Wort, das nicht komplett per Zufallsgenerator entstanden ist und klingt wie der zweite Vorname eines Marsbewohners.

Das Logo dazu wird in den openBC-Foren einfallslos und nichtssagend geschimpft. Ich würde sagen, dass es simpel, klar und geradlinig ist, nicht zu viel vorwegnimmt und dennoch im Icon Kommunikation und Verbindung andeutet. »XING« wird sich bewähren.

Die derzeitige Diskussion zeigt auch, dass es wenig sinnvoll gewesen wäre, alle 9,6 Millionen User zu ihrer Meinung zu befragen. Die Debatte hätte sich nur um das Thema »wem gefällt was« gedreht, die guter Markenpolitik nicht zuträglich ist. Am Ende wäre nur ein kleinster gemeinsamer Nenner herausgekommen, der das Unternehmen nicht weiter gebracht hätte. Es hat einen mutigen, klaren und radikalen Schritt der Geschäftsleitung gebraucht, um die Versäumnisse der Pionierzeit wettzumachen. In ein, zwei Jahren wird das alles vergessen sein, und wir werden alle fröhliche Xinger und Xingerinnen sein.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für den lang nicht so deutlich gemachten Hinweis dass Markenführung nicht demokratisch sein KANN. Wir sehen viel zu viele "kleinste gemeinsame Nenner" und zu wenig gute Entscheidungen im Alltag.