21.9.06

Farben im Kopf

Die Frage nach guten Farben ist mindestens so beliebt wie die Frage nach guten Schriften. Vorbilder wie das Milka-Lila oder das Manner-Altrosa beweisen schließlich, dass eine gute gewählte Firmen- oder Produktfarbe an sich schon einen Markenwert ausmachen kann. Farben sprechen unmittelbar an, wirken emotional, haben das Potenzial zu polarisieren.

Wenn nun nach wirksamen und passenden Farben gesucht wird, zitiert man gerne die so genannte Farbpsychologie oder auch die Farbsymbolik. Beide Lehren gehen davon aus, dass Farben in der Mehrheit der Menschen gewisse Assoziationen auslösen, jeder Farbe ist eine Bedeutung zugeordnet. Rot ist die Liebe, Gelb ist der Neid, Grün ist die Hoffnung.

Solche Typologien kommentarlos zu verbreiten, halte ich aber für falsch. Der erste Grund: Die verschiedenen Modelle widersprechen einander. Und je nach Kultur ändert sich auch die symbolische Bedeutung. Die Farbe der Trauer kann Weiß oder Schwarz sein. Grün ist im Christentum die Farbe der Auferstehung, dominiert jedoch auch die Flaggen islamisch geprägter Staaten. Orange ist hierzulande ein Zeichen für Lebensfreude, im asiatischen Raum steht die Farbe für mönchische Entsagung. Alles klar?

Zudem wird oft vergessen, dass es neben dem kulturellen noch einen weiteren wichtigen Kontext gibt: Die Wirtschaft. Mindestens so wichtig für die Wahl meiner Produktfarbe ist die Farbe der Konkurrenzprodukte. Selbst wenn Grün symbolisch gesehen die ideale Farbe für Traktoren ist – John Deere hat sie nun einmal schon besetzt. Umgekehrt scheint Magenta eine denkbar unpassende Farbe für einen Telekommunikationsriesen zu sein. T-Mobile hat sich aber mit dem Mut zum Anderssein durchgesetzt.

Bei der Bewertung von Farben muss man also den gesamten Kontext betrachten. Rot kann demnach für den Kommunismus, Blut, Liebe, Glück (China), Wein, Sünde, Zorn, Freude oder Coca Cola stehen. Ist Grün nun Natur, Gift, Hoffnung oder ein Zeichen herannahender Übelkeit? Warum ist die Kombination Rot/Gelb/Orange einerseits als Warnfarbe, andererseits als Fast-Food-Logo so verbreitet? Alles eine Frage des Kontexts.

Glücklicherweise funktioniert auch die Wahrnehmung kontextbezogen. Niemand denkt beim Postgelb an Neid, keiner glaubt, dass unter dem McDonald's-Logo Gefahr droht. Wir haben die verschiedenen Farbbedeutungen gut eingelernt. Das bedeutet für die Erstellung von Logos und Markenzeichen, dass wir den Kontext des Produkts genau kennen müssen, uns in die Wahrnehmung der Zielgruppe hineinversetzen. Und dann entscheiden, ob wir Erwartungen entsprechen wollen oder mutig quer in die Farblandschaft hinein pinseln.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

> keiner glaubt, dass unter dem McDonald's-Logo Gefahr droht.

Ahem. Also da wär ich mir nicht so sicher ...

Markus Widmer hat gesagt…

Guuuuut, vielleicht war das Beispiel nicht gerade ideal... Warnt also McDonald's farbpsychologisch vor Übergewicht?

Anonym hat gesagt…

Nicht nur. Denk nur mal an Vegetarier/Veganer/Tierrechtler oder Umweltschützer etc. Da fällt einem sicherlich noch mehr ein.

Markus Widmer hat gesagt…

Stimmt, McD ist für viele wahrlich ein »rotes Tuch«.