5.11.08

Von Obama lernen

Barack Obama wird also der neue US-Präsident. Und das mit einem Sieg, den trotz Prognosen in dieser Klarheit keiner erwarten konnte. Natürlich hat er als Person und mit seinen Inhalten überzeugt, natürlich kamen ihm die Anti-Bush-Stimmung und die Finanzkrise zupass. Dennoch: Dieser überragende Erfolg ist vor allem auch das Resultat einer modernen Marketing-Kampagne, wie es sie in dieser Form noch nie gegen hat. Ich bin kein Insider, dennoch nehme ich mir einige Lektionen mit, inspiriert durch Blog-Artikel der Marketing-Gurus Seth Godin und Laura Ries.

Schon in den ersten Analysen wird klar, warum Obama rein rechnerisch gewonnen hat. Er konnte neue Schichten und wesentlich mehr Menschen als in den Wahlen zuvor dazu motivieren, wählen zu gehen. Angeblich hat er unter den NeuwählerInnen (vor allem den -Innen) sogar einen Anteil von 70 Prozent erreicht. Wie hat er das geschafft, und was können wir auch vom Scheitern seines Gegners McCain lernen?

Lektion 1: Klare Botschaften, Konsequenz bis hin zur Sturheit. Obama hat seit dem Tag seines Eintritts ins Kandidatenrennen eine Botschaft gehabt, ein Stichwort besetzt: «Change», vielleicht noch ergänzt durch «Hope». Diese Botschaft hatte einerseits den Vorteil, dass sie fast jeder wollte, andererseits verkörpter Obama den Anspruch auf ein neues Amerika wie kein anderer. Er ist jünger, hat eine andere Hautfarbe, spricht anders, denkt anders als das Bush-Establishment. Und sein Programm unterscheidet sich radikal von jenem der Republikaner. Das ist auch ein Pluspunkt für Obama: Er hat sich nie als besserer Republikaner, sondern immer als eher liberal denkender Demokrat positioniert, mit Themen wie Gesundheitsversorgung, Umverteilung, Energiewende. Durchaus mutig, wenn man weiß, wie man sich mit diesen Themen in den USA lange Zeit ins radikale Eck hatte stellen lassen müssen.

Doch es war klar, dass Obama nicht nur mit den Stimmen der registrierten Demokraten gewinnen konnte. Er brauchte neue Wähler. Jene nämlich, die bisher nicht oder wechselnd gewählt haben. Junge Menschen, Frauen, Unabhängige. Sie zu mobilisieren war das klare Ziel der Kampagne. Obamas Team hat es geschafft, indem es von Anfang an den Weg der «Grassroots» gegangen ist. Das heißt: Der viel zitierte Kleine Mann sollte nicht nur Zielgruppe sein, der über die klassischen Medien mit Werbung abgefüttert wird, er sollte selbst Wahlhelfer werden. Das Obama-Team hat, wie Seth Godin beschreibt, von Anfang an eine Liste mit Menschen geführt, die sich für Informationen über Obama interessieren. Diese wurden gezielt (und nicht übermäßig oft) mit relevanten Informationen versorgt und dazu motiviert, weitere Engagierte zu finden. Gleichzeitig hat Obama wie kein anderer vor ihm die neuen Medien genutzt. Weblogs, Twitter, YouTube und viele anderen Services waren voll mit Inhalten, die von den Usern selbst (und vom Obama-Team) geschaffen wurden. Berühmt geworden ist das iPhone-Tool, das im Adressbuch des Users Freunde in den so genannten Swing-States herausgesucht hat, mit der Bitte, diese doch von Obama zu überzeugen. Wie viel mächtiger ist es, wenn ein begeisterter Freund mich anruft, als wenn (wie bei McCain) ein Automat vom Band über Obama herzieht.

Das ist für mich die zweite wichtige Lektion aus dem US-Wahlkampf: Negativwerbung geht meistens schief. McCain hat versucht, sich selbst als den wahren Reformer hinzustellen – «Change» war aber schon von seinem Gegner besetzt. Dann blieb nur noch der Schmutzkübel mit dem Versuch, Obama ins linksextreme Eck zu stellen. Das hat beim letzten Wahlkampf noch gut funktioniert, dieses Mal aber nicht. Obama war schon positioniert, McCain nicht. Er hat mehr oder weniger gesagt: «Wählt nicht den da.» Er hatte aber sonst kein Argument für «Wählt mich». Wir lernen daraus: Botschaften zu klauen funktioniert nicht, und wer attackiert, sollte auch eine echte Alternative bieten. Weiters hat McCains Team nicht mit der Macht der Grassroots gerechnet: Obamas Anhänger identifizierten sich mit seiner Bewegung. Jeder Angriff McCains war ein Angriff auf sie und nur noch mehr Motivation, ihrem Kandidaten zum Sieg zu verhelfen

Letzte Lektion: Das Spiel ist erst gewonnen, wenn es vorbei ist. Obama hat angeblich seinem Team immer gesagt: Wir arbeiten so, als lägen wir zehn Prozent hinter McCain in den Umfragen. Hoffnung alleine reicht nicht, die Menschen müssen auch hingehen zur Wahl, unter Umständen stundenlang anstehen. Die Devise war also: Mobilisieren bis zum letzten Tag. Was auch in diesem YouTube-Video schön zum Ausdruck kommt:

So ist es ja nun nicht gekommen. Wir dürfen also gespannt sein auf den Präsidenten Barack Obama. Aber da zeigt sich die letzte Lektion, die wir von ihm lernen können: Obama hat bei seinem Wahlkampf immer auch an seine Präsidentschaft gedacht. Er hat immer gesagt: «Ich bin nicht perfekt, ich habe viel zu lernen, es gibt viel zu tun.» Gleichzeitig gab es aber immer seine Visionen, Ziele und Projekte: Abzug aus Irak, Reform des Gesundheitswesens, Steuerreform zugunsten des Mittelstandes. Die Basis, die Obama für sich geschaffen hat, wird ihm Zeit geben für seine Projekte, wird ihm Fehler verzeihen, ihn aber auch an seine Visionen erinnern, sollten sie links liegen bleiben. Gute Aussichten für ein neues politisch-gesellschaftliches Klima in den USA. Den Vergleich mit den Wahlen in Österreich spare ich mir jetzt.

Keine Kommentare: