23.1.07

Der ideale Designer

Ich habe den idealen Designer getroffen. In ihm sind all jene Eigenschaften, Talente und Charakterzüge vereint, die man sich wünschen kann von jemandem, der hauptberuflich gestaltet.

Erstens: Er hat wache Augen, denen auch das kleinste Detail nicht entgeht. Dort, wo unsereiner längst durch- und drüberschaut, blickt er genau hin. Was ist auf dem Pin, der auf der Kappe der Frau in der U-Bahn steckt, abgebildet? Welche Details sind in dem gedruckten Bild versteckt? Inwiefern ähnelt ein Rollschuh einem Auto und umgekehrt? Ihm entgeht nichts.

Zweitens: Er ist von einer unbändigen Neugierde beseelt, angetrieben von einem heiligen Forscherdrang. Er probiert all das aus, worauf wir überhaupt nicht kommen würden. Er dreht Vorne nach Hinten und Unten nach Oben, um zu schauen, wie die Dinge reagieren. Und doch sind seine Experimente logisch: Das Mobiltelefon passt genau in den Einschub vom Videorekorder. Also wollen wir doch mal schauen, was passiert …

Drittens: Er kombiniert die Schöpferkraft des Chaos mit der Strenge der Ordnung. Es macht ihm Freude, bestehende Strukturen komplett durcheinander zu bringen, die Dinge auf den Kopf zu stellen. Gleichzeitig achtet er mit größter Akribie und Konzentration darauf, dass alles, was er produziert, einer für ihn sinnigen Ordnung folgt.

Viertens: Lernen heißt für ihn Spielen, Spielen heißt Freude, Freude heißt Leben. Eine grenzenlose Begeisterung für das eigene Schaffen durchdringt ihn, und mit dieser Begeisterung steckt er die Menschen um sich herum an.

Der ideale Designer hat nur einen Haken: Er ist erst 17 Monate alt und hat dementsprechend noch etwas Mühe mit dem Entziffern von Briefings und der Bedienung von InDesign. Doch mein Sohn kann Lehrmeister spielen und mir dabei helfen, den Zweijährigen in mir wieder zu entdecken. Und vielleicht hat er ja in ein paar Jahrzehnten Lust, die Bude zu übernehmen.

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