8.5.06

Eye Catcher

Jeder Mensch in einem Industrieland ist täglich zwischen 1.500 und 7.000 Werbeimpulsen ausgesetzt – die Zahl variiert je nach Schätzung, Studie und Quelle. Vom Logo auf der Zahnbürste über die Plakate auf dem Weg zur Arbeit bis zum Werbespot im Fernsehen; lauter Impulse. Etwa vier Mal pro Minute melden sich also Auge und/oder Ohr mit einer Marke, die gemerkt werden soll. Um das Zahlenspiel noch etwas weiter zu treiben: Ein Mensch greift im Schnitt auf ein Vokabular von 50.000 Worten zurück. Würde ein Mensch also die ganze restliche Sprache vergessen und sich nur Markennamen merken, wäre trotzdem nach etwa zwei Wochen die mentale Festplatte voll.

Zum Glück für die geistige Gesundheit des Menschen filtert unser Gehirn die meisten dieser Eindrücke weg. Die Mehrheit landet am Rande unserer Aufmerksamkeit im Arbeitsgedächtnis und wird Millisekunden später durch den nächsten Eindruck überschrieben. In einem gnadenlosen Auswahlverfahren landet nur das im Langzeitgedächtnis, was für das Gehirn relevant erscheint.

Diese kognitiven Filter sind eine wesentlich größere Herausforderung für neue Marken als Popup-Blocker im Internet oder das Wegzappen aus der Fernsehwerbung. Die Marke muss im Brimborium der Eindrücke so viel Aufmerksamkeit erregen, dass sie so bewusst wie möglich wahrgenommen und mit der Zeit auch im Gedächtnis gespeichert wird.

Was bedeutet das für die Kreation von Logos? Logos müssen Eye-Catcher sein, ins Auge springen. Das wird zum Beispiel mit einem Irritationsmoment erreicht. Gute Logos sind zwar harmonisch und balanciert, vermitteln dem Gehirn aber im ersten Moment die Botschaft, dass da irgend etwas nicht ganz stimmt. Dadurch löst man einen zweiten Blick aus, der die Sache aufklärt. So hat das Logo des Projekts "Graz Zweitausenddrei" die erwartete Jahreszahl durch "0003" ersetzt. Das Auge wird auf die "falsche" Null und damit auf das zentrale Gestaltungselement des CD gelenkt.

Sinnvoll kann es auch sein, das Gehirn arbeiten zu lassen. Wenn man zum Beispiel einen Mörser nur andeutet, statt ihn realistisch darzustellen, komplettiert das Gehirn automatisch das Bild, um es verstehen zu können. Gute Logos können deshalb oft unterschiedlich gedeutet werden; positiv oder negativ, zwei- oder dreidimensional zum Beispiel. Das Bild kann umspringen und beschäftigt damit das Gehirn. Und womit sich das Gehirn beschäftigt, das wird auch leichter gemerkt.

Allerdings darf das Irritationsmoment dabei nicht zur Verwirrung werden. Verwirrende Zeichen filtert unsere Wahrnehmung mindestens so schnell wie irrelevante. Womit wir wieder bei dem Punkt wären, dass jedes gute Logo einfach ist.

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