20.4.06

Abstract Art

Logos können auf beschreibende, symbolische oder typografische Art ihre Botschaft kommunizieren. Der vierte Ansatz für den Logo-Designer ist die Abstraktion. Man entwirft also ein Zeichen, das nichts darstellt. Statt dessen steht die Grafik für sich; geometrische Formen werden so kombiniert, dass sich bestimmte visuelle Effekte ergeben. Ein Quadrat bleibt ein Quadrat, ein Kreis ein Kreis.

Klingt noch etwas abstrakt? Ist es in Wirklichkeit nicht. Aus der Sicht des Betrachters gibt es nämlich kaum abstrakte Logos. Menschen haben diesen unstillbaren Drang, alles und jeden zu interpretieren. Man könnte im Logo von Audi einfach vier Kreise sehen, die einander überschneiden. Statt dessen fragt man sich, wofür die Kreise stehen, interpretiert die Überlappung als Kette, Synergie oder Zusammenschluss. Jeder halbwegs mit der Automarke vertraute Konsument wird Ihnen auch erklären können, was das Audi-Zeichen bedeutet. Viele abstrakte Logos kommen mit solchen Geschichten.

Das ist das Interessante an abstrakten Logos – der Betrachter (und auch der Designer) sieht sie nicht als reine geometrische Formen, sondern deutet sie als Symbole oder Icons. Das Quadrat wird zum Rahmen, der Kreis zum Kopf. Gute abstrakte Logos legen solche Deutungen nahe, lassen aber auch genügend Platz für individuelle Assoziationen. Wenn der Funke zwischen dem Zeichen und dem Markennamen springt, öffnet das abstrakte Logo den Raum zu ganzen Bilderwelten. Das Logo der Olympischen Winterspiele in Turin ist ein gutes Beispiel dafür. Was sehen Sie? Schneeflocken oder weiße Punkte? Ein zweidimensionales oder dreidimensionales Gebilde? Einen Berg, eine Schneepiste, einen Pfeil oder gar die Gemeinschaft der Nationen? Viele Deutungen sind möglich, alle passen zu den Winterspielen, dennoch bleibt das Zeichen nicht beliebig.

Langfristig eingesetzt werden durch diesen Interpretationsdrang und die Geschichte, die mit dem Logo mitlaufen, aus abstrakten Logos neue, individuelle Symbole und Icons, die für eine bestimmte Qualität stehen. Heute würde wohl niemand mehr den Mercedes-Stern als abstrakt bezeichnen. Er ist zu einem Symbol unserer Kultur geworden, das die Botschaft „Prestige“ verinnerlicht hat. So sehr, dass es einige Jugendliche für prestigeträchtig halten, den Stern in Form der Kühlerfigur zu stehlen. Wenn sie schon nicht den Wagen selbst haben können, so doch wenigstens das Symbol.

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